Moderne Organisationsmodelle, volatile Märkte und steigende Variantenvielfalt machen Lagerstrukturen deutlich komplexer als noch vor wenigen Jahren. Viele Unternehmen investieren in Automatisierung – und stellen dennoch fest, dass Engpässe bleiben oder neu entstehen. Die Ursache liegt selten in der Technik selbst, sondern im Zusammenspiel der Systeme und in fehlender Integration über Bereichsgrenzen hinweg.

Die Ära der Logistik 4.0 ist daher angebrochen. setzt genau hier an: Ein Ansatz, In topaktuellen Warenlagern werden der Informations- und Materialfluss vereint, Insellösungen eliminiert und die Steuerung zentralisiert. Dieser Beitrag zeigt, wie sich gewachsene Lagerstrukturen dem Zeitgeist anpassen, und zu einem stabilen Gesamtsystem verbinden lassen – und warum das der entscheidende Schritt für einen zuverlässigen Durchsatz ist.

Infobox: Definition Logistik 4.0

Logistik 4.0 beschreibt die digitale Transformation sämtlicher logistischer Prozesse entlang der Wertschöpfungskette. Sie orientiert sich an den Prinzipien der Industrie 4.0: Vernetzung, Echtzeitdaten, Automatisierung, Selbststeuerung und hohe Transparenz.

(Quelle: Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML)

1. Warum viele Lager trotz moderner Technik an ihre Grenzen stoßen

In vielen Lagern laufen moderne Systeme – AutoStore, AKL, Fördertechnik, HRL – technisch stabil. Dennoch treten StausSuchzeiten oder Informationsbrüche auf. Die Ursache liegt häufig nicht im Zustand der Anlagen, sondern im Bruch zwischen digitaler Planung und physischer Umsetzung. Viele Abläufe bleiben manuell, laufen mit Papierlisten oder Excel, Buchungen werden im Nachgang nachgetragen – Informationen stehen also nicht kontinuierlich digital zur Verfügung.

In der Praxis bedeutet das:

  • Gebuchte Aufträge, manuelle Kommissionierung: Aufträge sind im System erfasst, doch Mitarbeitende arbeiten noch mit Listen oder Zetteln.
  • Unsichtbare Bestände: Bestände werden gesucht, obwohl sie im System vorhanden sind – nur nicht dort, wo sie gebraucht werden.
  • Datenlücken an kritischen Stellen: Informationen fehlen genau dort, wo Entscheidungen getroffen werden müssen.

Die Technik an sich ist leistungsfähig – aber ohne Vernetzung bleibt der Materialfluss ein Flickenteppich, und die Steuerung erfolgt häufig mit großem manuellem Aufwand.

Logistik 4.0 bedeutet deshalb vor allem: Systeme integrieren, statt immer neue Technik-Inseln hinzuzufügen. Für eine vertiefende Übersicht, praktische Checklisten und ein Reifegradmodell für Ihren Materialfluss empfehlen wir den bald erscheinenden Leitfaden „Lagerlogistik neu vernetzt – Wie integrierte Systeme den Materialfluss zuverlässig steuern“ - bleibt dran!

2. „Inseln“ im Lager: Wenn Zonen nebeneinander statt miteinander arbeiten

Viele Lager sind im Laufe der Zeit gewachsen: Ein Blocklager wurde nachgerüstet, später ein Kleinteilelager angeschlossen, Kommissionierzonen angepasst und Versandprozesse separat weiterentwickelt. Von außen wirkt das funktional – tatsächlich entstehen funktionale Inseln, die zwar für sich arbeiten, aber nicht sauber miteinander verbunden sind.

Typische Muster sind:

  • Heterogene Inseln: Jede Zone – vom HRL bis zur Kommissionierung – funktioniert für sich, aber nicht im Zusammenspiel.
  • Manuelle Nebensysteme: Excel-Listen, Laufzettel oder „Hilfs-Datenbanken“ ersetzen fehlende Integration.
  • Unterschiedliche Taktzeiten: AutoStore liefert in Sekunden, Palettenbewegungen dauern Minuten, manuelle Bereiche folgen ihrem eigenen Rhythmus.

Die Folge: An Übergabepunkten stauen sich Aufträge, schnelle Systeme laufen leer, langsame Bereiche bremsen den gesamten Materialfluss. Statt eines ruhigen Flusses entstehen Wellen und Spitzen, die sich als Überstunden, Hektik und Fehler bemerkbar machen. Für die Verantwortlichen bleibt der wahre Engpass oft unsichtbar, weil jede Zone nur auf ihren eigenen Ausschnitt schaut.

Wie Experten aus der Praxis betonen, ist die eigentliche Herausforderung daher weniger, einzelne Lagerbereiche zu automatisieren, sondern unterschiedlich schnelle Bereiche so zu synchronisieren, dass ein stabiles Gesamtsystem entsteht. Genau hier setzt Logistik 4.0 an – mit einem integrierten Blick auf alle Gewerke.

3. Wie Logistik 4.0 Lagertechniken zu einem Gesamtsystem verbindet

Ein Lager ist erst dann integriert, wenn die zugesagte Leistung tatsächlich erreicht wird: DurchsatzVerfügbarkeit und Prozessstabilität. Dafür reicht es nicht, einzelne Gewerke zu optimieren. Entscheidend ist, wie gut sie entlang zweier Integrationsachsen zusammenspielen.

Vertikale Integration – Daten durchgängig lenken

Ein integriertes Lager verbindet alle Ebenen zu einer durchgängigen Informationskette:

  • ERP/MES: bildet Aufträge, Bestände und Kundenanforderungen ab.
  • Zentrale Steuerung (z. B. HiLIS): übersetzt diese Informationen in konkrete Transport- und Lageraufgaben.
  • SPS, Sensorik und Aktorik: setzen die Entscheidungen zuverlässig im physischen Materialfluss um.

Das Ergebnis: Es gibt eine gemeinsame Datenbasis, auf die sich alle Bereiche stützen. Buchungen sind konsistent, Zustände eindeutig, Entscheidungen nachvollziehbar.

Horizontale Integration – Gewerke orchestrieren

Parallel dazu müssen alle Systeme entlang des Materialflusses einer gemeinsamen Logik folgen:

  • HRL, AKL, AutoStore, Shuttle
  • Fördertechnik, AMR/AGV
  • manuelle Zonen und Versandbereiche

Logistik 4.0 bedeutet: Diese Technologien arbeiten nicht nebeneinander, sondern werden auf einer Plattform digitalisiert und orchestriert, sodass GeschwindigkeitKapazität und Taktung harmonisieren. Damit der Materialfluss stabil bleibt, definiert die zentrale Steuerung Prioritäten, Puffer und Fahrregeln – statt dass jede Anlage nur ihre lokale Performance optimiert.

Schnittstellen als kritische Erfolgsstellen

Der Integrationsgrad entscheidet sich an den Schnittstellen:

  • Übergaben zwischen schnelleren und langsameren Bereichen
  • Verkehrsregeln im Mischbetrieb zwischen AMR, Staplern und Fördertechnik
  • Pufferflächen und Priorisierung entlang der Prozesskette

Erst wenn diese Mechanismen greifen, entsteht echte Transparenz im Materialfluss. Die Verantwortung verlagert sich von „lokalen Helden“ in einzelnen Bereichen hin zu einer systematischen Steuerung über alle Gewerke hinweg.

4. Live-Daten: Der operative Vorteil integrierter Lager

Sind die Systeme integriert, erzeugt das Lager tausende Datenpunkte pro Stunde. Manuell sind sie kaum zu überblicken. Systeme wie ein Warehouse Management System mit Leitstand verdichten diese Daten zu klaren Erkenntnissen – ein zentrales Element für die Logistik 4.0 im Alltag.

Wesentliche Effekte:

  • Durchsatz im Blick: Tagesleistung und Auslastung sind jederzeit erkennbar.
  • Frühwarnsystem: Staus, Störungen oder Stockungen werden automatisch angezeigt, bevor sie den Materialfluss zum Stillstand bringen.
  • Planung statt Reaktion: Kommissionierwellen und Transporte lassen sich dynamisch anpassen.
  • Rollenbasierte Transparenz: Mitarbeitende erhalten klare Anweisungen, Führungskräfte einen Überblick über Leistung und Servicegrad.
  • Schnelles Onboarding: Intuitive, vollständig digitalisierte Leitstände erleichtern neuen Mitarbeitenden den Einstieg.

Damit verschiebt sich der Fokus im Lagerbetrieb: weg von Feuerwehreinsätzen, hin zu vorausschauender Steuerung. Engpässe werden sichtbar, Ursachen lassen sich analysieren, Maßnahmen gezielt testen. Das Lager entwickelt sich von einer „Black Box“ zu einem steuerbaren System, das sich an neue Anforderungen anpassen lässt.

5. Fazit: Logistik 4.0 entsteht, wenn Insellösungen verbunden werden

Logistik 4.0 ist kein Schlagwort, sondern der praxisnahe Weg zu einem stabilen, planbaren Materialfluss. Leistung entsteht dort, wo Technik, Prozesse, Daten und Menschen integriert arbeiten – nicht dort, wo immer neue Einzelkomponenten hinzugefügt werden. Schon kleine Schritte wie ein erster digitaler Übergabepunkt, die Ablösung manueller Listen oder die Harmonisierung unterschiedlicher Taktzeiten können spürbare Leistungsgewinne bringen.

Wenn Sie diesen Weg strukturiert und Schritt für Schritt gehen möchten, finden Sie im bald erscheinenden Leitfaden „Lagerlogistik neu vernetzt – Wie integrierte Systeme den Materialfluss zuverlässig steuern“ konkrete Schritte, Reifegrad-Checks und Integrationsbeispiele.